Station 2 - Zeit für mich

… zum Weitergehen
Unverwechselbar
du
mit deinem Gesicht,
mit deinen Augen,
mit all deinen Bewegungen,
deinem Lachen,
deinem Zorn und
deinen Zweifeln,
deinem Streben,
so zu sein wie andere,
du sollst leben
und hören, dass du
unverwechselbar
von Gottgeliebt bist.

… ankommen
Zu den ältesten Symbolen der Menschheitsgeschichte gehört das Labyrinth.
Es ist ein Symbol für die Ganzheit, den Kosmos, für den Menschen und seinen Weg in dieser Welt.
Jesus Christus sagt: „Ich bin der Weg.“ (Joh. 14,6). Er sagt damit: Ich bin die Antwort auf menschliches Grübeln nach dem Woher und Wohin; ich zeige einen Lebensweg, der jetzt sinnvoll ist und über den Tod hinaus zur Erfüllung, zur Vollendung führt.
Mein Leben gleicht einem Weg ins Labyrinth: aufbrechen, gehen, in der Mitte ankommen.
Jetzt habe ich Zeit für mich.
Es gibt nur einen Weg, der zur Mitte führt. Viele Kehren müssen gegangen werden. Oft ist die Mitte greifbar nah, da führt der Weg zunächst wieder weg vom Ziel.
Im Gehen wird deutlich: Wendungen und Umwege sind nicht zu vermeiden, zurückgehen, immer wieder neu beginnen.
Der Weg will mit Zeit und Achtsamkeit gegangen sein, um zu spüren, was geschieht, was geschehen kann, wenn ich mich auf ihn einlasse.
Im Labyrinth verliert man sich nicht, sondern man findet sich. Im Labyrinth begegnet man sich selbst.
.

… verweilen
Wo stehe ich?
Wo führt Gottes Weg mich hin?
Wie sehe ich mich?
Wie sieht Gott mich?
Denken Sie ein wenig über diese Fragen nach während Sie sich auf den Weg ins Labyrinth machen. In der Mitte werden Sie vielleicht eine Anregung für einen Teil der Antwort finden bzw. auch schon gefunden haben.
… verweilen
Es war einmal eine Nonne, die als Einsiedlerin tief drin im Gebirge lebte. Sie war sicher, dass es ihre Berufung ist, in Einsamkeit und Stille, mit Gebet und Betrachtung zu leben.
Schon seit fast zehn Jahren lebte sie einsam und fromm in ihrer Klause. Bei allem äußeren Frieden spürte die Einsiedlerin, dass zu ihrer zwischenzeitlich vertrauten Lebensart noch etwas hinzukommen müsse. Sie wartete geduldig und betete um einen Fingerzeig Gottes.
Eines schönen Tages kam ein Pilger an ihrer Hütte vorbei und erzählte der Klausnerin, dass es im gleichen Gebirge, etwa zwei Wochen Fußweg entfernt, ein Kloster gäbe, in dem ein geheimnisvoller Spiegel aufbewahrt wird. „Wenn man in diesen Spiegel hineinschaut“, erzählte ihr der Pilger, „sieht man sich nicht mit dem Gesicht, das man hat, sondern mit dem Gesicht, das man haben sollte. Man sieht in diesem Spiegel, wie man von innen her angelegt ist und was Gott mit einem vor hat.“
Der Einsiedlerin wurde schnell klar, was sie wollte: Sie wollte in den geheimnisvollen Spiegel schauen, um zu erfahren, was aus ihr noch werden solle. Sie überschlief das Vorhaben noch eine Nacht. Am nächsten Morgen brachte sie ihre Hütte, die Kapelle und ihre kleine Landwirtschaft in Ordnung. Bereits am Mittag machte sie sich auf den Weg.
Nach zwei Wochen Wanderung kam sie bei dem besagten Kloster an. Als sie an der Klosterpforte die Bitte vortrug, in den geheimnisvollen Spiegel schauen zu dürfen, stellte der Mönch an der Pforte zunächst einige prüfende Fragen. Denn nicht jeder Besucher durfte in den „Heiligen Spiegel“ sehen. Womöglich war er auf die wahre Erkenntnis schlecht vorbereitet oder wollte dies nur zum Scherz tun.
Die Einsiedlerin konnte dem Mönch glaubhaft machen, dass es ihr mit ihrem Vorhaben sehr ernst war. So rief der Mönch an der Pforte den Bruder Sakristan. Dieser führte die Frau in einen altertümlichen Saal. Aus einem prunkvollen Schrank holte der Sakristan den geheimnisvollen, heiligen Spiegel hervor. Er stellte ihn auf eine wertvolle Konsole und ließ die Klausnerin einige Minuten mit dem Spiegel allein.
Nun war sie am Ziel. Sie schaute lange in den Spiegel und prägte sich fest ins Gedächtnis, was sie sah. Sie war wirklich erstaunt, welcher Mensch sie aus dem Spiegel heraus anschaute: Eine strahlende Frau, handfest, standfest und vergnügt; eine Frau, der die Lebensfreude aus jeder Pore sprühte. Diese Frau- das spürte die Einsiedlerin- hatte das Leben trotz seiner vielen schwachen Stellen gerne und mochte die Menschen, so wie sie nun einmal sind, mit ihren Stärken und Schwächen. Die Frau im Spiegel blickte gütig und weise. Und sie war ein Inbegriff von Weiblichkeit, eine strahlende, heitere und gesellige Frau! Das war also die Absicht Gottes mit der spartanischen Einsiedlerin.
Zuhause angekommen begann die Einsiedlerin wieder ihr gewohntes Leben. Sie verrichtete die gleiche Arbeit wie schon seit 10 Jahren und hielt ihre Regeln gewissenhaft ein. Es war das Gleiche wie früher und doch bekam alles, was sie tat, einen neuen Glanz. Ständig stand ihr das Bild von der strahlenden Frau vor Augen, das sie im Spiegel gesehen hatte. Sie ließ sich nach und nach davon verwandeln.
Nach ein paar Wochen änderte sie einige der ihr bisher wichtigen Gewohnheiten, weil sie nicht zu dem Bild in dem Spiegel passten. Nach ein paar Monaten änderte sie aus dem gleichen Grunde noch einmal ein paar Gewohnheiten ihres Lebens. Dauernd musste sie an den Willen Gottes denken, wie sie ihn im Spiegel gesehen hatte, und der Friede des Herzens stellte sich bei ihr langsam ein.
Schon nach 3 Jahren war die Einsiedlerin zu der kraftvollen, gütigen, vergnügten Frau geworden, die sie im Spiegel gesehen hatte.
Sie fühlte nun auch den inneren Frieden, der ihr bis dahin gefehlt hatte.
(alte Legende)